Webcomics - Möglichkeiten

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Webcomics, Go!
von Abwaesser.ch

Dieser Artikel steht in Kontrast zu der heutigen Realität der Webcomics.

Beginnt man über die Möglichkeiten des Mediums Internet für den Comic als Erzählform nachzudenken, wird einem schnell schwindlig. Im folgenden mein Versuch die Eckpunkte eines mediengerechten Comics im Internet zu definieren:

Leinwand: An Stelle des Papiers, der geschnitte Seite mit festen Dimensionen, tritt an erster Stelle das Browserfenster und gleich danach der Bildschirm durch welchen wir den Comic betrachten. Dies sind die Platzlimitierungen des Comics im Internet, und sie sind nicht fix in ihrer Grösse. Eine Website kann sowohl von einem Computer als auch von einem mobilen Betrachtungsgerät aufgerufen werden und erscheint so in einer Vielzahl an möglichen Kontexten und Grössen. Der Browser und letztendlich der Bildschirm legen den grösstmöglichen Ausschnitt eines Bildes fest, vergleichbar mit Papier. Der Inhalt dieses Ausschnitts, die Leinwand welche durch den Browser betrachtet wird kann jedoch nahezu unendlich gross sein1. So ist es theoretisch möglich ganze Comicromane auf einer Seite zu zeigen. Mit Techniken wie Scrolling kann der Inhalt hinter dem Browserfenster erkundet werden.2

Leserythmus und Orientierung: Das blättern eines Buches fällt weg und an diese Stelle muss ein digitales Ersatzstück treten welches dem Leser intuitiv hilft, einen für ihn angenehmen Rythmus zu finden. Wunschweise auch, ihm eine Möglichkeit zur Orientierung innerhalb der Erzählung zu bieten.3 Wird beispielsweise der Comic als ganzes aus einer einzigen Seite gezeigt und durch scrollen des Lesers entdeckt, dienen die Scrollbalken als Orientierungshilfe für den Leser. An der momentanen Position und Grössenverhältnissen des Scrollbalkens kann der Leser einfach erkennen wo er sich in der Geschichte befindet. Viele klassische Webcomics lösen die Frage der Orientierung durch die Darstellung einer Episodennummer im Kontext der totalen Anzahl an Episoden.4 5

Interaktivität: Wie jedem Inhalt auf dem Internet bietet sich auch dem Comic die Möglichkeit Interaktion zu verwenden. Interaktivität kann verwendet werden um den Lauf einer Geschichte dem Leser zu überlassen, oder um dem Leser zu erlauben Inhalte oder Zustände von gezeigtem zu manipulieren, resp. einen Wechsel auszulösen6 7. Jedoch ist Interaktion in diesem Kontext immer dahingehend zu verstehen, dass dem Betrachter lediglich die Interaktion ermöglicht ist, welche der Autor im Vornherein festgelegt hat.8

Multimedialität: Durch die ständig steigenden Kapazitäten moderner Internetanbindungen ist die Multimedialität eine Realität geworden. Das Bild eines Comics kann durch Bewegung, Farben und Ton beliebig erweitert werden.9

Verbreitung: Im Unterschied zum gedruckten Comic gibt es für den Comic im Internet keine zentrale Vertriebsstelle wie ein Comicladen. Die Verbreitung von digitalen Inhalten funktioniert heute grösstenteils über soziale Netzwerke oder Blogs. Episodisch veröffentliche Webcomics können per RSS so bereitgestellt werden, dass verschiedenen Plattformen (Facebook, Twitter) und Programme die Aktualisierungen weiterverbreiten können. Es ist zudem feststellbar dass gewisse Inhalte wie Bilder und Videos einfacher verbreitet werden können als beispielsweise Flashinhalt.

1 :
Die Theorie der unendlichen Leinwand (Infinite Canvas) wurde erstmals von Scott McCloud in Reinventing Comics publiziert: http://www.scottmccloud.com/4-inventions/canvas/index.html
2 :
Eine Beispiel für eine Anwendung des Konzepts der unendlichen Leinwand ist Trevor van Meters Fly Guy: http://www.trevorvanmeter.com/flyguy/
3 :
Das Webcomic I am not an artist findet auf einer riesigen Leinwand Platz und verwendet eine kleine Karte um den momentanen Aufenthaltsort innerhalb der Erzählung anzuzeigen:
http://www.iamnotanartist.org/webcomic.php
4 :
Scott McCloud`s The Right Number verwendet einen inwärts gerichteten Pfeil um die Geschichte voranzutreiben. Wahlweise kann man auch die Pfeiltasten verwenden um durch die Geschichte zu navigieren. Zur Orientierung des Leser stellt McCloud alle Panels als Nummern dar, das aktuell angezeigte wird weiss markiert:
http://www.scottmccloud.com/1-webcomics/trn/index.html
5 :
Einige Erzählungen lösen die Rythmisierung des Lesevorgangs auch dadurch, dass sie die Funktion des Papiers, des Blätterns digital simulieren. So zum Beispiel der ästhetisch wenig ansprechende: Dead on Arrival von Matt Gibson und Geoff Gaviria: http://www.dead-on-arrival.co.uk/
6 :
Han Hoogerbrugge`s interaktive Animation Flow verwendet Interaktion um gezeigte Objekte und Situationen durch einen Klick zu alternieren: http://download.omroep.nl/nps/dekortefilm/mixedup/flow/flow.html
7 :
Ein bekannter Vertreter der interaktiven Erzählungen im Netz ist Samorost, eine schräge Fantasywelt die der Leser durch das Lösen einfacher Rätsel erkundet: http://www.amanita-design.net/samorost-1/
8 :
Die Grenzen zum Videospiel beginnen mit der Interaktion zu verfliessen. Eine interaktive Parabel über das Leben und die Sterblichkeit gibt es in Form eines simplen Spiels von Jason Rohrer:
http://hcsoftware.sourceforge.net/passage/
9 :
Ein gutes Beispiel für die Kombination der multimedialen Möglichkeiten des Webs ist Han Hoogerbrugge`s digitale Erzählung Hotel : http://www.hoteloscartangoecholima.com/splash.html
 

Vollständiges Literatur- und Quellenverzeichnis